Neuestes Mitglied des Kulturnetzwerks Neukölln ist der Chorverband Berlin. Wir haben den Geschäftsführer, Gerhard Schwab, gebeten, die Arbeit des Berliner Verbands vorzustellen und danach gefragt, was den neuen Standort in der Karl-Marx-Straße 145, aus seiner Sicht, attraktiv macht und welche Wünsche mit einer Mitgliedschaft im Kulturnetzwerk verknüpft sind.

 

 

KNW: Der Chorverband Berlin hat 2021 seinen Standort gewechselt und sich in der Karl-Marx-Straße angesiedelt. Eine gute Entscheidung?

 

Schwab: Wir sind ja vor zweieinhalb Jahren hier in dieses Deutsche Chorzentrum gezogen. Es war uns wichtig, so einen Ort wie das Deutsche Chorzentrum zu haben, wo alles zusammenkommt: der Deutsche Chorverband, der Chorverband Berlin und darüber hinaus sitzt der Landesmusikrat gleich nebenan. Der Landesmusikrat ist sozusagen der politische Vertreter der Musikszene.

Ganz oben sitzt die Deutsche Chorjugend. Dann sind da noch die Vokalhelden, das ist das Education-Programm der Philharmonie gewesen. Und im Erdgeschoss und der ersten Etage gibt es noch die musikalische Kita, Kleiner Fratz.

Das haben wir jetzt alles in einem Haus und das ist natürlich wunderbar für uns, weil wir doch sehr viel miteinander zu tun haben. Und es sind schöne Räumlichkeiten. Da kann man natürlich erst mal gut arbeiten. Wir waren zuvor mit unserer Geschäftsstelle in den Räumlichkeiten der IG-Metall in der Alten Jakobstraße eingemietet.

 

KNW: Und waren sie da räumlich vernetzt?

 

Schwab: Das kann man nicht vergleichen mit dem Standort hier. Es gibt dort keine Bewohnerschaft vor Ort. Wir sind froh, dass wir jetzt hier sind, in so einem pulsierenden Stadtviertel.

 

KNW: In welchem Verhältnis stehen Sie denn zum Deutschen Chorverband?

 

Schwab: Das ist unser Dachverband, der auf Bundesebene unterwegs ist. Und wir sind Mitglied. Es sind nicht alle Bundesländer Mitglieder aber ein Großteil. Und wir profitieren natürlich davon, dass sie gleich hier mit uns im Haus sitzen.

Der Chorverband Berlin hat aktuell über 11.000 Mitglieder. Wir haben Chöre vom Kinderchor bis zum Seniorenchor. Bei uns können alle singen. Aktuell sind es um die 330 Chöre. Wir sind momentan der einzige Verband in der Republik, der wachsende Mitgliederzahlen hat. Viele Chöre beantragen eine Mitgliedschaft, auch weil es nach Corona unwahrscheinlich viele Probleme gibt. Etliche Chöre haben sich aufgelöst. Aber dank unserer guten Öffentlichkeitsarbeit geht es wieder aufwärts.

Wir haben in der Corona-Zeit Chöre verloren, vor allem aber haben die Chöre Sängerinnen und Sänger verloren. Doch viele haben irgendwie durchgehalten und versuchen jetzt, wieder neu zu starten.

 

KNW: Und sind sie auch hier im Kiez mit Angeboten vertreten?

 

Schwab: Natürlich haben wir auch Veranstaltungen hier im Kiez, z. B. die Fête de la Musique ist eine große Veranstaltung, die wir mit bespielen. Unter anderen treten Chöre von uns am 21. Juni im Heimathafen und in der Magdalenenkirche auf. Bei der Fête de la Musique treten berlinweit um die 50 Chöre von uns auf, also weit über 1000 Sängerinnen und Sänger, einmal hier auf diesen zwei Bühnen in Neukölln und auf drei weiteren Bühnen. Wir sind auch im Humboldt Forum, am Berliner Dom und in der Parochialkirche vertreten.

 

KNW: Haben Sie denn, abgesehen vom Heimathafen, andere Kontakte in Neukölln, mit denen Sie schon Kooperationserfahrungen gemacht haben?

 

Schwab: Mit der Magdalenenkirche, dann natürlich auch mit öffentlichen Einrichtungen. Wir sind z. B. im Körnerpark aufgetreten und werden dort voraussichtlich weitere Auftritte haben können.

Ja, ansonsten strecken wir gerade unsere Fühler aus. Mit Bibliotheken sind wir schon im Kontakt.

Und wir haben Kontakt zum Nachbarschaftszentrum.

 

KNW: Wie sind Sie denn aufs Kulturnetzwerk gekommen?

 

Schwab: Das war naheliegend, im Hinblick auf mögliche Partnerschaften.

Wir gehen davon aus, dass es nichts bringt, Einzelkämpfer zu sein. Besonders im Kulturbereich.

Gerade Corona hat gezeigt, wer alleine unterwegs ist, bleibt auf der Strecke.

Von daher strecken wir immer die Fühler aus und versuchen, neue Partner zu finden, die zu uns passen, die aber auch von uns profitieren können. Wir sind auch gar nicht so schlecht aufgestellt. Wir merken, es passiert etwas, auch Dank der guten Öffentlichkeitsarbeit in meinem Team.

Bei einer Veranstaltung im April in der Philharmonie im Kammermusiksaal hatten wir um die 800 Besucher*innen und das ist schon nicht schlecht. Besonders weil die Amateurchorszene nach Corona sehr um Zuschauer*innen zu kämpfen hat. Da muss man in der Werbung selbst mit geringem Budget einfach intensiv und stetig dranbleiben.

Kultur muss gefördert werden. Kultur kann sich gerade im Amateurbereich nicht alleine finanzieren.

Wir sind von der Senatsverwaltung institutionell gefördert und wir haben die Mitgliedsbeiträge.

In verschiedenen Bereichen wie beispielsweise einer Konzertförderung, Förderung einer Chorfreizeit und einer Projektförderung, können wir auch finanzielle Unterstützung leisten. Auch deswegen wollen Chöre bei uns Mitglied werden und weil sie auch Teil des Netzwerkes sein wollen.

 

KNW: Und wie sind Sie personell aufgestellt?

 

Schwab: Wir sind ein Team von 6 Personen und wir sind Vollzeit im Einsatz. Nach außen sehen wir recht groß aus, wenn dann aber die Leute herkommen und sehen, wie klein das Team ist, dann sind sie immer überrascht, was so alles geht, wenn man gute Leute hat.

Da habe ich großes Glück mit meinen Mitarbeiter*innen.

Unsere Frau für die Öffentlichkeitsarbeit, Jill König, ist auch die Verantwortliche für unsere Verbandszeitschrift, den Berliner Chorspiegel, der viermal im Jahr erscheint.

Im Hinblick auf Förderung bieten wir Seminare zum Thema Fundraising an. Der Fokus liegt zwar auf Chören, aber es könnten sicher auch andere Mitgliedseinrichtungen davon profitieren. Förderung ist ja meist verbunden mit der Entwicklung und Umsetzung von Ideen. Ich selbst war viele Jahre in diesem Bereich tätig und habe Vereine, Verbände und Kommunen beraten. So bin ich auch zum Chorverband Berlin gekommen.

Ich komme aber grundsätzlich von der Musik, habe an der Musikhochschule Weimar Saxophon studiert. Hier im Verband ist es begeisternd zu erleben, was Menschen zusätzlich zu ihrem Alltag noch machen. Mit welcher Begeisterung und in welcher Qualität. Das ist schon toll.

Corona hat gezeigt, dass Chor mehr ist als Singen. Es war ganz wichtig, diese Erfahrung zu machen, dass es für die Gesellschaft so wichtig ist, dass diese Gemeinschaften vorhanden sind, wo sich Leute treffen und was zusammen machen.

Und jetzt kämpfen wir gemeinsam mit dem Landesmusikrat für ein Kulturfördergesetz. Das Ziel ist die Gleichstellung mit dem Sport. Dass wir Räume zur Verfügung haben, die wir kostenfrei nutzen können. Wir wollen beispielsweise erreichen, dass das nicht mehr im Ermessen der Bezirke liegt, sondern gesetzlich geregelt wird.

 

KNW: Am 12. und 13. Juli findet in der Malzfabrik in Schöneberg – Open Air – ein Chorfestival zum Mitmachen statt?

 

Schwab: Ja. In der Corona-Zeit, als das Singen in geschlossenen Räumen nicht möglich war, haben wir einen Aufruf gestartet, der sich an die Wirtschaft gerichtet hat und wir haben relativ schnell Partner gefunden, die uns Lagerhallen und Höfe zur Verfügung gestellt haben, dass wir dort singen konnten.
Unter anderen auch die Malzfabrik. Und die Mitarbeitenden fanden das auch toll. Da hatten alle etwas davon.

 

KNW: Und die Malzfabrik ist jetzt auch Kooperationspartner. Ein schöner Ort.

 

Schwab: Ja, In diesem Jahr veranstalten wir dort unser #dabei open air – das Chorfestival zum Mitmachen. Die Malzfabrik veranstaltet auch selbst tolle Events. Aber da kommt niemand zufällig vorbei. Da braucht es schon ein Highlight, das Leute anzieht.

Das Chorfestival findet unter diesem Namen bereits zum vierten Mal statt, in immer neuen Varianten, an verschiedenen Orten der Stadt. Es werden Chöre aus ganz Deutschland dabei sein, aber auch darüber hinaus. Sogar aus China. Und alle treten ohne Gage auf. Wir als Verband sind der Veranstalter und versuchen mit dem kleinen Team ein Erlebnis für das Publikum zu organisieren – vorbei kommen und genießen.

 

KNW: Und Reisekosten und Unterkunft?

 

Schwab: Können wir leider auch nicht finanzieren.

 

KNW: Und die Chöre schaffen das, trotzdem zu kommen?

 

Schwab: Ja, die schaffen das, zu kommen. Sie verbinden das in der Regel damit, dass sie sowieso in Deutschland sind. Und bei vielen anderen, die aus Deutschland kommen, ist Berlin als Standort reizvoll. Die Chöre wollen gerne nach Berlin und wer kann schon von sich sagen „ich hab auf dem #dabei open air gesungen“. Das ist natürlich ein riesiges Erlebnis für die Teilnehmer*innen. Wir haben eine Crowdfunding-Aktion gestartet, in der Hoffnung doch noch hier und da bei den Reisekosten unterstützen zu können. Wir arbeiten daran, kompetente Partner zu finden, um uns perspektivisch an den Kosten der Chöre beteiligen zu können.

Kommt alle vorbei zum Chorfestival, eine ideale Möglichkeit sich kennen zu lernen, miteinander zu singen, gemeinsam auszutauschen und viel Spaß zu haben.

Wir sind sehr daran interessiert, uns im Bezirk zu vernetzen. Es freut uns sehr, dass wir Mitglied werden konnten und wir hoffen natürlich, dass man sich gegenseitig befruchtet, dass man gegenseitig voneinander profitieren kann.

 

KNW: Herzlich willkommen im Kulturnetzwerk Neukölln.

 

Schwab: Auf gute Zusammenarbeit!