Auch 2021 ist die Kultur in besonderer Weise von den Corona bedingten Lockdowns betroffen. Wir würden gerne von unseren Mitgliedern erfahren, wie es ihnen geht. Da unser Ansatz grundsätzlich ein lösungsorientierter ist, interessiert uns natürlich vor allem, welche neuen Erkenntnisse und Ideen in den letzten Monaten entstanden sind und unter welchen Voraussetzungen sie sich realisieren lassen.
Könntest Du Dich zunächst selbst vorstellen, in wenigen Sätzen etwas zur Neuköllner Oper sagen und beschreiben, welches Anliegen Euer Team verfolgt.
- Mein Name ist Andreas Altenhof, seit 2002 im Direktorium der Neuköllner Oper tätig und dort für Kommunikation/Community&Arts tätig. Unser Anliegen: Musiktheater neu zu erfinden mit Geschichten, die unsere Stadt/Gesellschaft bewegen und dabei gleichzeitig spannend wie unterhaltsam zu sein.
Wie ist die Neuköllner Oper zum Jahresende 2020 aufgestellt und wie ist die Stimmung der Macher*innen? Wie gefährdet ist Eure Existenz?
- Wir haben sofort nach Ende des ersten Lockdowns gespielt bis zum letztmöglichen Termin. Natürlich vor weniger ZuschauerInnen, aber jeder mögliche Sitzplatz wurde genutzt. Die Stimmung bei den mit uns verbundenen freien Kulturschaffenden ist unterschiedlichst: von verzweifelt bis kämpferisch, je nach Situation (problematisch z.B. die Lage der Absolvent*innen, die eigentlich ins Berufsleben starten wollten, die Verträge für die wichtigen allerersten Engagements hatten und jetzt mit nichts dastehen): Wir unterstützen dabei so gut es eben geht mit Ausfallhonoraren etc.
Ende Oktober hattet Ihr in der Reihe „Wunderkammer“ eine Produktion im Programm, die eigens für die derzeitige Situation entwickelt sein könnte. Ist das so?
Die Wunderkammer II, auf den Spuren des Alexander von Humboldt, fand in der ehemaligen Kapelle auf dem Neuen Sankt Jacobi Friedhof vor einem kleinen Publikum statt. Für mein Gefühl ist das Format eine gelungene Antwort auf die Notwendigkeit, von größeren Ansammlungen von Menschen abzusehen. Der intime Charakter der Veranstaltung hat mir sehr gefallen, ich vermute aber, dass sich das auf Dauer nicht rechnet.
- Die Wunderkammern sind eigentlich aus der Lust heraus entstanden, Neues für die Musiktheaterbühne ausprobieren zu wollen und dabei eine Verbindung zu den Wissenschaften zu suchen. Sie richten sich an ein Publikum, das besonders neugierig ist und von daher natürlich quantitativ beschränkt ist – das kommt den gegenwärtigen Beschränkungen sehr entgegen. Für das „Kerngeschäft“ und seine Finanzierung brauchen wir aber unseren großen Saal.
Habt Ihr schon eine Vorstellung, wie es weitergehen kann, wenn die Beschränkungen zumindest im ersten Halbjahr 2021 weiterbestehen? Gibt es neue Konzepte?
- Wir arbeiten an verschiedenen digitalen Formaten: Zum einen gibt es ja schon die sechsteilige Webserie Opera for Sale (https://operaforsale.neukoellneroper.de), zum Thema Mietenwahnsinn/Spekulation. Im Moment probt Moon Music ein Kooperationsprojekt von Stegreif.orchester, Neuköllner Oper und Prinzessinnengarten Kollektiv. Und wir bereiten eine Hörspielfassung von IST DIE WELT AUCH NOCH SO SCHÖN.
Welche Aspekte von Kultur hältst Du in Zeiten wie dieser für besonders relevant?
- Die Auseinandersetzung mit den/dem Anderen, gemeinsamen Austausch
Wie wichtig ist der Austausch mit anderen Betroffenen und findet er statt?
Sehr wichtig. Sowohl institutionell (in Gremien wie Rat für die Künste, LAFT etc) aber auch auf persönlicher Ebene. Der Austausch findet meist als Videoschalte statt, wir sind aber auch dabei, Formate zu erfinden, die es den mit uns verbundenen Künstler*innen ermöglicht, unsere Infrastruktur zu nutzen.
Könnten neue Finanzierungsmodelle, wie Crowdfunding oder Projektpatenschaften eine Lösung sein?
- Ganz klar: nein. Das kann höchstens als Ergänzung dienen. Dagegen steht die Tradition, dass in Deutschland der Staat sich als wesentlicher Kulturträger sieht. Der Wechsel auf das amerikanische Modell bräuchte andere Voraussetzungen (u.a. auch steuerlich)
Es wird immer wieder betont, dass das Virus wie ein Brennglas wirkt und den Fokus auf verschiedene Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens lenkt. Hast Du, abgesehen von Problemen, etwas mitnehmen können aus diesen letzten Monaten?
- Die Wertschätzung der persönlichen Begegnung und einer solidarischen Gemeinschaft.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für 2021!