Nach ersten Erschließungsmaßnahmen 2018 seid ihr 2019 vom Moritzplatz in Kreuzberg auf den Neuen Sankt Jacobi Friedhof an der Hermannstraße umgezogen. Der urbane Garten ist ein Pilotprojekt, an dem verschiedene Akteure zusammenarbeiten, um zu erproben, wie eine angemessene Nachnutzung von Friedhöfen aussehen könnte. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bestattungskultur verändert. In der Folge werden weniger Flächen benötigt und die Frage einer Umnutzung ist unausweichlich. Zumal Friedhöfe für den Naturschutz von großer Bedeutung sind. Zu den Trockenperioden der letzten Jahre, die für Gärtner*innen bereits eine große Herausforderung dargestellt haben, kamen 2020 die Corona-Auflagen hinzu. Wir befragen derzeit unsere Mitglieder, was Letzteres für sie bedeutet.
- Kurz vor Beginn der diesjährigen Gartensaison würden wir gerne von Euch erfahren, wie Ihr unter „normalen Bedingungen“ arbeitet, was Eure grundsätzlichen Anliegen sind und welche Projekte Ihr für dieses Jahr plant.
Im Prinzessinnengarten Kollektiv Berlin bieten wir wöchentliche Gartenarbeitstage an, die offen für alle zum Mitgärtnern sind. Hier gärtnern wir in unseren Hochbeeten, bestellen den Acker, ziehen Jungpflanzen in unserem Gewächshaus vor und erkunden die Biodiversität auf dem Gelände. Hinzu kommen monatliche Aktionstage, an denen wir uns größere Aufgaben vornehmen, wie z. B. die Erweiterung unseres Gemüseackers, Thementage zu Pilzen oder gemeinsames Zubereiten von Gerichten mit der Ernte aus dem Garten. Wir verstehen uns als offenen Lernort, wo niedrigschwellig gemeinsam Erfahrungen ausgetauscht werden und voneinander gelernt wird.
- Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Ihr vorhabt, Euch an dem diesjährigen Festival 48 Stunden Neukölln zu beteiligen. Was habt Ihr vor?
Im Rahmen des diesjährigen Festivals 48 Stunden Neukölln möchten wir uns dem Thema „Baum“ widmen. Bäume haben vor allem im urbanen Kontext einen direkten Bezug zum Jahresthema Luft, da sie die Stadtluft reinigen und so zu einem lebenswerten Umfeld beitragen. Auf dem Gelände des Neuen St. Jacobi Friedhofs, auf dem wir gärtnern, gibt es zudem eine große Vielfalt von Bäumen, die wir kennenlernen wollen, um zu verstehen, wie auch wir sie unterstützen können. Dazu soll es interaktive Erkundungsrundgänge geben, aber auch Kunstaktionen, die den Baum in Szene setzen und feiern.
- Würdet Ihr sagen, dass der Garten für viele Menschen gerade in Corona-Zeiten ein Ort ist, der hilft, besser durch diese schwierige Zeit zu kommen?
Auf jeden Fall! Wir können uns sehr glücklich schätzen, so einen Ort in unserer Nähe zu haben, der es uns nicht nur ermöglicht in schwierigen Zeiten zur Ruhe zu kommen und ein Stück der Stadtnatur zu genießen, sondern auch mit anderen Menschen in den Austausch zu kommen und gemeinsam etwas sinnstiftendes zu tun. Zum einen merken wir, dass der Garten uns braucht – er muss auch trotz Corona gepflegt werden, zum anderen gibt er uns eben auch viel zurück.
- Hat sich etwas verändert, im Hinblick auf die Nutzergruppen?
Wir merken, dass mehr Menschen aus der direkten Nachbarschaft zu uns in den Garten kommen und sich regelmäßig beteiligen. Auch viele Familien mit Kindern verbringen mehr Zeit rund um den Garten.
- Habt Ihr schon eine Vorstellung, wie es weitergehen kann, wenn die Beschränkungen zumindest im ersten Halbjahr 2021 weiterbestehen? Ist Eure Existenz gesichert?
Wir hoffen, dass wir bald wieder mit unseren offenen Angeboten starten können – natürlich mit den jeweiligen Beschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen im Bewusstsein. Da wir ja hauptsächlich an der frischen Luft arbeiten und die Flächen sehr groß sind können wir z.B. Abstände gut einhalten und auch mehrere Menschen gut auf unterschiedliche Aufgabenfelder verteilen.
- Welche Aspekte Eurer Arbeit haltet Ihr für besonders relevant?
Uns ist es besonders wichtig, ein offener und willkommen heißender Ort zu sein. Alle, die interessiert sind können mitmachen, brauchen keine Vorkenntnisse mitbringen und können sich frei nach ihren eigenen Kapazitäten einbringen.
- Wie wichtig ist der Austausch mit anderen Betroffenen und findet er statt?
Wir tauschen uns immer wieder mit anderen Projekten aus, wie sie mit der Situation umgehen und teilen Erfahrungen. Das ist sehr hilfreich.
- Es wird immer wieder betont, dass das Virus wie ein Brennglas wirkt und den Fokus auf verschiedene Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens lenkt. Habt Ihr, abgesehen von Problemen, etwas mitnehmen können aus diesen letzten Monaten?
Wie schon gesagt, haben wir im letzten Jahr gemerkt, wie dankbar wir für die Möglichkeiten zum Austausch und gemeinsamen sinnstiftenden Handeln, die der Garten uns und allen Beteiligten bietet, sein können.
Bild: Gemüseacker auf dem neuen St. Jacobi Friedhof, Bildrechte: Prinzessinnengarten Kollektiv Berlin
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für 2021!